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Stadtinfo_Juni_2018

23 Unsere Geschichte Die Bunker-Enttarnungsaktion 1948 wurden die Bunker enttarnt. Der Befehl der amerikani-schen Militärregierung von Anfang April 1948 zur Enttar-nung aller Gebäude der ehem. Pulverfabrik Kraiburg, verfügt durch den in Gendorf amtierenden Kontrolloffizier Major Merrell Rogers, kam für die Bewohner, die seit knapp zwei Jahren dabei waren, sich hier mit großer Not eine neue Existenz auf-zubauen, sehr überraschend. Die allermeisten Bunker wa-ren beim Bau aus Gründen der Tarnung an den Außen-wänden und auf den Dä-chern mit Erdaufschüttungen versehen worden. Die Erd-massen waren mit Bäumen und Sträuchern bewachsen, welche inzwischen teilweise sieben Jahre alt waren. Bis 30. April, sollten alle Bunker von Erdanhäufungen befreit und die im Umkreis von eini-gen Metern stehenden Bäu-me gefällt werden. Gebäude, welche bis zu diesem Termin noch Erde und Bäume auf-wiesen, würden gesprengt werden. Angesichts der we-nigen zur Verfügung stehen-den Werkzeuge und Maschi-nen, der großen Menge an Erdhaufen bei mehr als 300 Bunkern und der sehr knap-pen Zeit, war dieser Befehl unmöglich erfüllbar. Laut einer Liste vom 19. April, angefertigt nach einer Be-sichtigungstour im Werk, waren viele Gebäude noch nicht enttarnt. Als am 10. Mai der „Sprengoffizier“ das Ge-lände besichtigte und sah, dass viele Gebäude noch Tarnung aufwiesen und mit Sprengungen drohte, appel-lierten Montan- Werksverwaltung und Indust-riegemeinschaft eindringlich, eine Nachfrist bis 30. Mai zu gewähren. Diese wurde zu-gesagt. Noch am selben Tag rief die Industriegemein-schaft alle Bewohner auf, sich an der Enttarnung der restlichen Bunker zu beteili-gen. Der Aufruf im Wortlaut: „Alle einsatzfähigen Betriebs-angehörigen beteiligen sich an der Enttarnung, ein-schließlich Betriebsführer und Angestellten. Ausge-nommen sind Frauen, Kör-perbehinderte und Männer über 60 Jahre. Werkzeuge sind mitzubringen, im Notfall gibt die MONTAN Werkzeu-ge aus. Arbeitsbeginn am Mittwoch, 12. Mai, dann täg-lich um ½ 8 Uhr beim Haupt-magazin. Die Firmen melden täglich bis 10 Uhr vormittags der Industriegemeinschaft Namen und Arbeitszeit der eingesetzten Arbeitskräfte für die Enttarnung. Verhandlun-gen über Zusatzverpflegung werden heute vormittags mit dem Ernährungsamt B noch geführt. – Es wird auch jeden Samstag und Sonntag, sowie Pfingstmontag gearbeitet. Pfingstsonntag ist frei.“ Schließlich konnten fast alle Gebäude gerettet werden, so dass im Juni 1948 nur noch 22 Gebäude zerstört wurden. Darunter waren vor allem Bauten, die ohnehin kaum sinnvoll hätten genutzt wer-den können. Es stellt sich die Frage, warum die Amerika-ner diese Enttarnungsaktion durchführen ließen. Stadtar-chivar Konrad Kern deutet den Befehl so: Die vier Be-satzungsmächte waren nach Kriegsende im Mai 1945 be-müht, Deutschland im Alliier-ten Kontrollrat möglichst ein-heitlich zu regieren. Es zeig-te sich aber bald, dass die Sowjetunion einen demokra-tisch- freiheitlichen deutschen Gesamtstaat ablehnte, son-dern Bunker 207 (Breslauer Str. 22), Glasmalerei H. Vetter. ein kommunistisches Regime schaffen wollte. Im Berliner Kontrollrat wurden u.a. das Thema Entmilitari-sierung immer mehr zum Streitobjekt, da die Sowjets äußerst radikal vorgingen. So sind z.B. die fünf Rüs-tungswerke der Deutschen Sprengchemie, welche bei Kriegsende auf dem Gebiet der sowjetischen Zone lagen, innerhalb weniger Jahre kon-sequent auf Grund und Bo-den zerstört worden. Dies wollten die drei Westmächte in ihren Zonen so nicht prak-tizieren - zumal man bald erkannte, dass in solchen Arealen durchaus vernünfti-ge und zukunftsfähige zivile Nutzungen möglich waren. Um aber zumindest nominell den Willen zu Entmilitarisie-rung und Vernichtung der Rüstungsindustrie auch in Westdeutschland zu zeigen, ist dieser Enttarnungsbefehl zu verstehen. Impressum Herausgeber: Stadt Waldkraiburg Stadtplatz 26, 84478 Waldkraiburg Tel.: 08638/959-0 Fax: 08638/959 200 Email: stadt@waldkraiburg.de Gestaltung und Redaktion: Robert Pötzsch (V.i.S.d.P.) Weitere Autoren dieser Ausgabe: Stephanie Till, Johanna Spirkl, Konrad Kern, Claudia Ge-laschwili, Bianca Mertin, Thomas Rahnert, Martina Kainz, Gerd Ruchlinski, Veronika Schneider, Siegfried Hanesch, Andrea Schlegel, Tina Garreis, Tobias Thalhammer, Eva-Maria Kam-rad, Dieter Galambos, Bene Ferenc, Anette Neumann, Roswitha Ammerer, Sylvia Wimmer, Markus Lutz, Alexander Rahm, Ute Grabow, Erika Fischer, Manuela Lang, Tanja Spacek, Bernhard Vietze, Claudia Golder , Daniela Merth, Charlotte Konrad, Anette Holzer, Birgit Huber-Heinrich, Regi-na Zinn, Markus Hegel, Stephan Bergmann, Jürgen Zabelt Auflage: 13.000 Erscheinungsweise: monatlich Nächste Ausgabe: Samstag, 30. Juni 2018 Druck: Geiselberger Medien-Gesellschaft mbH, Martin- Moser-Str. 23, 84503 Altötting


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